Brigitte Griehl

Brigitte Griehl

Kurzbiographie

Brigitte Griehl in Bochum geboren,
studierte Germanistik, Geographie, Psychologie.
25 Jahre lehrte sie an der Realschule die Fächer Deutsch und Erdkunde.
Seit ihrem Ruhestand widmet sie sich dem Schreiben.

Veröffentlichungen

  • Roman „Geh mit mir“, Berlin 2006
  • Lanzarote-Krimi „Das Kind hinter dem Spiegel“, Berlin 2012,
    ISBN 978-3939305804
  • Beiträge in: Das Schicksal, ein Reisender zu sein, Hagen 2010
  • Wittener Autorinnen- und Autorentreff, Wie wir uns täglich umgeben, Witten 2020
 

Umschlag und Klappentext „Geh mit mir“

Cover - Geh mit mirDie Autorin Brigitte Griehl schickt ihre Protagonistin Birgit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit , in der sie noch einmal die Beziehung zu ihrer Mutter durchlebt.
In bildhafter Sprache und dichter Atmosphäre veranschaulicht Brigitte Griehl die schmerzliche, aber auch ebenso schöne Mutter-Tochter-Beziehung. Sie zieht ihre Leser so in ihren Bann, dass sie sich mit Birgit identifizieren und meinen, nicht als Betrachter über dem Geschehen zu stehen, sondern es mit allen Sinnen mitzuerleben.
Und all dies ist eingebettet im Ruhrgebiets-Milieu der turbulenten 50er und 60er Jahre.

 

Umschlag und Klappentext „Das Kind hinter dem Spiegel“

Das Kind hinter dem Spiegel

Der Spiegel, ein Erbstück von Birgits verstorbener Mutter, fällt eines Nachts von der Wand – ein vergilbtes Foto von einem kleinen fremden Jungen hinter den Scherben – ein unbekannter Name „Pedro Enrique“ aus Lanzarote im Kochbuch der Mutter. Ganz besessen von der Frage, was ihre Mutter verbergen wollte, fliegt Birgit nach Lanzarote.

Während sie vor Ort den Spuren ihrer Mutter folgt, dringt jemand in ihr Hotelzimmer ein und entwendet das Foto. Hat sie einen Feind, der verhindern will, dass sie dem Geheimnis ihrer Mutter auf den Grund kommt? Noch kann sie nicht ahnen, dass ihre Nachforschungen sie völlig aus dem seelischen Gleichgewicht bringen und inmitten von Gier und Korruption führen werden.

 

 

Ich habe ihn geliebt

„Wir sollen nicht trauern, dass wir einen Menschen verloren haben, sondern dankbar dafür sein, dass wir ihn gehabt haben.“
Mit versteinerter Miene schaut Irene Berg in das Erdloch, auf den Sarg ihres Mannes. Sie steht da wie erstarrt, geschützt durch eine Mauer um sich herum, eine feste Mauer aus Stein. Nichts und rein gar nichts dringt durch sie hindurch. Hinter der Mauer, dem kalten Stein, ist sie unverletzbar.

Ihre Gedanken schweifen in die Vergangenheit, zu dem Tag vor acht Jahren, als ihr Mann nach Berlin zog, um dort eine Versicherungs-Agentur aufzubauen.

Sie blieb mit ihren beiden jugendlichen Töchtern Lisa und Mona in München wohnen.
„Ich muss mich voll und ganz meinen dienstlichen Vorhaben widmen. Ihr würdet mich dabei stören“, war seine Begründung.
Anfangs besuchte er seine Familie alle zwei Monate zum Wochenende, aber die Besuche wurden immer rarer.
Wie sehr sehnte sie sich nach ihrem Mann, zwang sich aber, ihre Gefühle vor Lisa und Mona zu unterdrücken, um sie nicht noch zusätzlich zu belasten. Jedes Mal versetzte es ihr einen Stich ins Herz, wenn sie in ihre traurigen Gesichter schaute. Immer wieder fragten sie nach ihrem geliebten Vater und immer wieder musste sie sich neue Erklärungen einfallen lassen.
„Euer Vater hat dienstlich eine große Verantwortung zu tragen.“
„Die Konkurrenz ist groß.“
„500 km – eine zu anstrengende Fahrt für einen kurzen Besuch.“

Irene erinnert sich, als wäre es erst gestern gewesen.
Als er nach einem kurzen Besuch mit ausladenden Schritten zu seinem Auto eilte, als könnte er es kaum erwarten, endlich in Berlin zu sein, rief sie ihm nach: „Deine Familie möchte dich gerne in Berlin besuchen. Wir haben Sehnsucht nach dir!“
„Nein“, erwiderte er über die Schulter. „Dienstliches möchte ich strikt von meinem Privatleben getrennt wissen!“ Eine Antwort, unmissverständlich, die keinen Widerspruch duldete.
Sie musste akzeptieren.
Sie wollte ihn nicht verlieren.
Sie fragte nie mehr wieder.
Lisa und Mona zogen sich in ihr Schneckenhaus zurück.

Die Luft ist drückend. Nach dem Regen der vergangenen Tage ist es sehr warm geworden. Lisa und Mona haben sich bei ihrer Mutter eingehakt. Es schmerzt Irene, als sie ihre bebenden Körper spürt.
„Wir wollen Friedrich Berg in liebevoller Erinnerung halten.“
Die Worte des Pfarrers prallen an ihrer Mauer ab, den Schall verschlucken die Großstadtgeräusche,
Der letzte spontane Besuch ihres Mannes, vier Monate ist es her, schleicht sich vor ihr geistiges Auge.
Er umarmte sie auf der Türschwelle. „Ich habe mich auf dich gefreut. “
Es schien Irene, als kämen die netten Worte aus einem falschen Mund.
Dann rief er nach seinen Töchtern, küsste sie auf die Wange, „wie geht’s“, fragte er, ohne eine Antwort abzuwarten, und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Nur zu den Mahlzeiten setzte er sich zu ihnen an den Tisch.
Sachliche Gespräche über bauliche Veränderungen in München, über das launische Wetter standen an.
Keine Gespräche mit Lisa und Mona über ihren schulischen Alltag, über ihre Freunde, über ihre Freizeitaktivitäten.
Keine vertraulichen Gespräche mit seiner Frau.
Keine Zärtlichkeiten.
Mittlerweile hatte Irene gelernt, sich mit Kritik zurückzuhalten. Denn das kleinste Nörgeln nahm er zum Anlass, im Arbeitszimmer zu übernachten.
Aber sie musste noch mal einen Anlauf versuchen, das war sie auch ihren Kindern schuldig.
„Du vernachlässigst uns.“
„Gut, dann werde ich eben regelmäßig nach Hause kommen. Aber du musst doch zugeben, dass es euch wahrlich gut geht. Penthauswohnung, 150 Quadratmeter. Mercedes B-Klasse. Tennisclub. Reitschule für Lisa und Mona. Ohne meinen dienstlichen Einsatz wäre euer Luxusleben nicht möglich. Sonst müsst ihr eben in eine Zweizimmer-Wohnung ziehen. Willst du das? Doch wohl nicht.“ Ohne Punkt und Komma stießen die Worte aus seinem Mund
Warum weigerte er sich, die Gefühle seiner Familie auch nur ansatzweise zu verstehen?
Aber es musste doch eine praktikable Lösung geben.
„Du könntest einen Kompagnon einstellen. So würde sich die Arbeit auf zwei Schultern verteilen.“
„Misch dich nicht in meine Angelegenheiten!“ Barsch klang seine Stimme und er stand abrupt auf.
Am nächsten Morgen blieb sein Platz am Frühstückstisch leer. Stattdessen lag ein Zettel dort. „Ich musste dringend nach Berlin.“
Kein Wort des Bedauerns.
Keine liebevollen Abschiedsgrüße.
Eine sachliche Mitteilung wie unter Geschäftspartnern.

Wie Puzzlestücke flattern die Erinnerungen in Irenes Kopf herum und versuchen, sich an die passenden Stellen in das unvollständige Bild einzufügen.

Zu ihrem Hochzeitstag kam er regelmäßig, Jahr für Jahr. Zu einer großen Feier im Freundeskreis.
Stets war er ein hervorragender Gastgeber, ein Charmeur der Extraklasse.
„Dank meiner geliebten Frau kann dieses wunderbare Fest stattfinden. Ihre Empathie, ihr freundliches Wesen machen sie bei allen Mitmenschen beliebt.“
Er gab seiner Frau einen Kuss. „Danke, dass du mir diese hübschen Kinder geschenkt hast.“
Ein aufmunterndes Lächeln zu Lisa und Mona. „Danke, dass ihr euch so rührend um eure Mutter kümmert.“
Eine Handbewegung, die die ganze Gesellschaft umschloss. „Danke an euch, meine Lieben, dass ihr unseren besonderen Tag mit uns feiern wollt.“
Große Begeisterung des Freundeskreises über diesen Bilderbuch-Ehemann.
„So einen Mann wie deinen möchte ich auch haben. Er trägt dich ja auf Händen.“
Sein Schauspiel war auf fruchtbaren Boden gefallen.
Irene protestierte nicht.
Sie ließ seine Lügengeschichten über sich ergehen.
Die Familienidylle war perfekt..
Wenigstens in diesem Augenblick.

Nachdem die Trauergäste ihr Beileid ausgesprochen haben, wendet sich Irene zum Friedhofsweg.
Ihre Augen heften sich auf einen fremden Mann.
Er steht vor dem Grab ihres Mannes. Mit gesenktem Kopf, hängenden Schultern, als erdrücke ihn eine ungeheure Last.
Minuten vergehen.
Die Konturen verschwimmen.
Sie sieht ihren Mann in seinem grauen Kleppermantel.
Er greift in die Manteltasche.
Er zieht einen Brief heraus.
Er wiegt ihn in den Händen, eine Ewigkeit, dann lässt er ihn los.
Das Papier wird vom Wind hin- und her, auf- und abgetrieben, bis es auf den Holzsarg flattert.
Jetzt dreht er sich um. Zögernd, als könnte er sich nicht entschließen.
Ein trauriger Ausdruck liegt auf seinem Gesicht.
Er ist blass.
Er nähert sich ihr im Schneckentempo, zwei Schritte vor, ein Schritt zurück.
Dann streckt er den Arm, wie in Zeitlupe, und greift ihre Hand.
Er lächelt ein gequältes Lächeln.
„Ich habe Ihren Mann geliebt“, sagt die fremde Stimme
Mit einem Mal fallen die Puzzlestücke ihrer Erinnerungen an die richtigen Stellen, und sie begreift, was sie nicht hatte sehen wollen.